Minnies Fanfictions

Kapitel 03

Kapitel Drei



Das Prickeln, als die stummen Schutzzauber anschlugen, weckte Hermine. Sie war ein wenig desorientiert, doch die Magie war eindeutig: jemand war ins Zimmer der Schulsprecherin eingedrungen. So leise sie konnte, schlängelte sie ihre Hand unter der Decke in Richtung des Nachtkästchens heraus, um nach ihrem Zauberstab zu greifen.

„Sie sind wach.“

Hermine erstarrte. Sie kannte diese Stimme. Sie kannte diese tiefe, weiche, samtig-dunkle Stimme sogar sehr gut und sie wusste, dass sie unter ihrer Bettdecke nackt war. Da sie nun ihr eigenes Zimmer hier an der Schule hatte, hatte sie zu ihrem Sommerschlafgewohnheiten zurückgegriffen – kein Pyjama, kein Nachthemd, nichts außer einem Slip, wenn ihre monatliche Zeit da war und das war momentan nicht der Fall. Sie war nackt und er befand sich in ihrem Schlafzimmer. Na ja, einer von ihnen jedenfalls.

„Keine Angst, Miss Granger. Ich bin nur gekommen, um mit Ihnen zu reden.“

„Ähm… reden?“, wiederholte sie und drehte ihren Arm vorsichtig, damit sie nach den Decken greifen konnte, die nur einen Teil ihres Rückens bedeckte und zog sie ein Stück höher. Etwas Weiches fiel auf ihren Rücken und ließ sie zusammenzucken.

Reden“, versicherte ihr der Snape in ihrem Schlafzimmer leise, doch mit fester Stimme. „Hier ist Ihr Morgenmantel, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihn anlegen würden. Ich werde mich so lange umdrehen.“

Ein vorsichtiger, schneller Blick über die Schulter bestätigte ihr, dass sich die dunkel gekleidete Gestalt tatsächlich von ihr abgewandt hatte, da sie seine Silhouette noch schwach im Licht des sterbenden Feuers erkennen konnte. Hermine rang kurz mit sich und knabberte an ihrer Unterlippe. Dann glitt sie unter ihrer Decke hervor und wickelte rasch den dunkelroten Morgenmantel um sich. Sie band den Gürtel und zog auch das Revers zusammen. Sie wünschte, sie hätte auch ihr Nachthemd bereit gelegt. Da die Suite der Schulsprecherin auch über ein eigenes Badezimmer verfügte, konnte sie auch nackt hingehen, wenn sie das wollte und hielt sich daher mit solchen Feinheiten schon länger nicht mehr auf. Der Morgenmantel war nur für den Fall da, dass sie eines der Mädchen im Turm aus irgendeinem Grund brauchte.

„Ähm… sind Sie derjenige, ähm, der unbedingt verhindern wollte, dass ich merke…?“

„Nein.“

Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus.

„Aber ich bin auch nicht einer von denen, die von exzessiven, sexuellen Gedanken über Sie getrieben werden.“

„Oh.“ Hermine war nicht sicher, ob sie enttäuscht oder eher erleichtert sein sollte. Sie fühlte einen verwirrenden Mix aus beidem.

„Darf ich mich umdrehen?“

Sie überprüfte ihre Vorderseite, zog das Revers nochmals zusammen und setzte sich so sittsam wie möglich auf ihre Bettkante. „Bitte.“

„Vielen Dank.“ Er wandte sich um und nahm ihren Anblick in sich auf – das dunkle Beerenrot ihres Mantels und das zerzauste Haar. Sein Gesichtsausdruck war verschlossen und doch gab es da auch noch eine Emotion in seinen Augen, die Hermine aber nicht zuordnen konnte. Er blinzelte und sah weg, gestikulierte dann aber in Richtung ihres Schreibtisches. „Kann ich mich setzen?“

„Natürlich. Worüber… worüber möchten Sie reden, mitten in der Nacht?“

Er hob den Stuhl an, drehte ihn herum und zog ihn näher heran. Dann setzte er sich, überschlug elegant die Beine und verschränkte die Hände im Schoß. Er war voll bekleidet und hatte sogar seine, oder besser gesagt, des Tränkemeisters Lehrerroben an. „Severus Snape.“

„Bitte?“, fragte Hermine verwirrt nach.

„Ich möchte mit Ihnen über Severus Snape sprechen“, verdeutlichte er. „Alles, das er bis zur Zeit meiner Erschaffung wusste, weiß ich auch, genauso wie die anderen Duplikate. Ich gebe Ihnen die Chance, mich alles zu fragen, was Sie schon immer über ihn wissen wollten.“

Sie verstand immer noch nicht. „Ich kapier es nicht… zuerst einmal… Sie sind er, aber dennoch ein Duplikat und ich glaube nicht, dass der Professor irgendeiner lebendigen Seele vertraut – mal von Professor Dumbledore abgesehen. Außerdem… wenn das Ihr Daseinszwang ist, dann ist es eine ziemlich merkwürdige Art von Zwang!“

„Das ist ein Nebeneffekt meines Existenzgrundes. Bitte fragen Sie mich nicht danach“, fügte er rasch hinzu und hob eine Hand, wie um ihre bevorstehende Frage aufzuhalten. „Es genügt, dass ein Preisgeben des Grundes alles zunichte machen könnte, genauso wie bei Ihrer Befragung über den physischen Status unseres Erschaffers. Das hat alles für Prüder-Snape ruiniert, dessen einziges Ziel es war, dass Sie nicht erfahren, dass der wahre Severus Snape Sie interessant findet.“

„Oh. Ähm… genau. Ich kann Sie also… alles über den original Professor Snape fragen“, fragte sie langsam und vorsichtig, „und Sie werden wirklich antworten? Ehrlich?“

„Alles?“

„Ehrenwort?“, wagte Hermine zu fragen.

Er wölbte eine Augenbraue wegen ihrer Dreistigkeit, neigte aber gnädig den Kopf. „Ehrenwort.“

Oh. Wow. Hermine blinzelte. Eine völlig ehrliche Version des Severus Snape, in ihren Räumen und das spät in der Nacht! Und dazu willig, ihre Fragen zu beantworten! Unglücklicherweise war ihr Kopf wegen des Schocks total leer gefegt. „Ähm… ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Was glauben Sie, was ich über den wahren Professor Snape wissen sollte?“

Seine Mundwinkel zuckten trocken, da nun wieder ihm der Ball zugeworfen worden war. „Wie Sie möchten. Zuerst… er ist nicht der Mann, der er vorgibt zu sein. Einiges ist seine eigene Persönlichkeit… und er verabscheut Ihre beiden besten Freunde, insbesondere Potter, weil er immer noch Schwierigkeiten hat, Harry von seinem Vater zu unterscheiden, der für Severus in seiner Jugend ein schikanierender Tyrann war. Ronald Weasley kann er einfach nur deshalb nicht leiden, weil er ständig um Potter ist und wenig Selbstvertrauen zu seinen eigenen Fähigkeiten hat – was den Tränkemeister fast jedes Mal erschaudern lässt. Er weiß, dass Weasley es viel besser könnte, wenn er nur genügend Selbstbewusstsein hätte. Auch wenn er es momentan nicht offen zugeben kann, sehnt sich Severus danach, fair zu allen Häusern zu sein, Voldemort offen entgegen zu stehen und nicht nur den Respekt seiner Kollegen im Orden zu haben, sondern auch ihre ehrliche Anerkennung für seine Bemühungen in diesem Krieg.

„Er hungert nach Zuneigung und echter Freundschaft, auch wenn letzteres an einer ziemlich unglücklichen Kindheit liegt, in der er nicht lernte, wie man sich Freunde macht. Sein derzeitiger Status als Spion zwang ihn dazu, seine früheren Freunde unter den Todessern anzulügen und vorzutäuschen, dass alles in Ordnung wäre. Außerdem belog er seine Kollegen, die nicht im Orden waren, um seine Tarnung zu wahren und war so unfähig, sich offen Freunde zu suchen. Nicht einmal im Orden, weil er das Bedürfnis hatte, seine unfreundliche Persönlichkeit beizubehalten um nicht wegen versehentlicher Widersprüche Misstrauen zu erwecken. Es ist leichter, ständig mit einer Lüge zu leben als zu versuchen, hin und wieder die Wahrheit zu sagen. Nichts davon machte es ihm leicht, neue Freunde zu finden.

„Er ist im Inneren ein guter Mensch und möchte Albus Dumbledores Vertrauen in ihn beweisen. Er weiß nicht, ob er den Krieg überleben wird – ein begründeter Zweifel, wenn man seine Lage sieht – doch schlimmer, er glaubt daran, dass er es nicht verdient, den Krieg zu überleben. Natürlich denkt er, dass es für ihn neben der Vernichtung des Dunklen Lords nichts gibt, dass es wert wäre, zu leben, außer dem festen Glauben, dass er um jeden Preis aufgehalten werden muss.“

Krummbein kam unter dem Bett hervor, streckte sich und tapste dann zu ihm hinüber. Er schnüffelte am Hosenbein und dem Stiefel, der über dem Kopf der Katze baumelte, ehe er sich an dem Mann im Zimmer rieb.

Duplikat-Snape griff nach unten und streichelte dem Kater über den Kopf. „Er braucht etwas, für das es sich zu leben lohnt, Miss Granger.“

Hermine betrachtete den replizierten Snape, der auf dem Stuhl in ihrem Schlafzimmer saß. Sie vergaß, ihren Morgenmantel an den Knien und an der Brust geschlossen zu halten. „Ist… ist das Ihr Daseinsgrund? Jemanden zu haben, der das Leben wert ist?“

Sie erkannte erst nachdem sie gefragt hatte, dass er sie gewarnt hatte, dass er ihr das nicht sagen würde, und war überrascht, als sie tatsächlich eine Antwort bekam.

„So könnte man es interpretieren, allerdings nur indirekt. Seine Lieblingsfarben sind schwarz und silber, er bevorzugt morgens Kaffee und abends Tee, er liebt die Kunst der Zaubertränkebrauerei, auch wenn das Unterrichten von so vielen Dummköpfen ziemlich frustrierend ist. Er hat schon immer eine gegenteilige Meinung zu Dumbledore gehabt, welche Einheiten in Verteidigung gegen Dunkle Künste gelehrt werden sollten – und es sollte zu seinen Gunsten gesehen werden, dass einige seiner Ideen schon mehr als einem Schüler beträchtlichen Anlass zur Trauer erspart hat, Ihre Freunde und Sie eingeschlossen. Er ist für diese Ideen schon seit Voldemorts ursprünglichem Verschwinden eingetreten und verfolgt diese Angelegenheit nur noch mehr, seit der Dunkle Lord durch das Versteck von Professor Quirrell als Lehrer wieder zu den Lebenden zurückgekehrt ist. Und… Sie sollten wissen, dass er Katzen mag, auch wenn er das jedem gegenüber, der fragt, bestreitet.“

Der Snape in ihrem Schlafzimmer bückte sich ein wenig weiter und ließ seine Finger vor der wankelmütigen Katze baumeln. Krummbein schnüffelte einmal, zweimal, dreimal und drückte dann seinen Kopf gegen diese langen, schwieligen, geschickten Finger. Zu Hermines Verblüffung streichelte und kratzte der Doppel-Snape nicht nur über das Haupt ihrer Katze, sondern ging noch weiter: er beugte sich weiter vor und hob Krummbein auf seinen Schoß – und ihr Kater ließ das zu! Das war das wirklich Unglaubliche daran. Krummbein gestattete das nicht nur, er rieb seine Pfoten an den überschlagenen Knien des Duplikates, setzte sich auf seine Schenkel und kniff seine Augen in der Art zusammen, die ausdrückte: ich bekomme all die Aufmerksamkeit die ich will und bin daher die tollste Katze in der ganzen Welt…

Der Anblick dieser Hände, die so geschickt waren, wenn es darum ging, Zutaten vorzubereiten, streichelten ihre Katze mit gleicher Erfahrenheit und Hermine beneidete die orangefarbene Katze auf seinem Schoß. Abgelenkt fragte sie sich, wie es sich wohl anfühlte, selbst von diesen Händen gestreichelt zu werden… und wie laut sie schnurren würde, wenn er es dann tat. Sie sah hoch und erkannte wieder diesen Blick in seinen dunklen Augen. Ertappt fragte sie sich, wie viel von ihren Gedanken gerade auf ihrem Gesicht zu lesen gewesen waren.

Sie räusperte sich. „Also… welche Bücher liest er gerne?“

„Alles und jedes. Etwa genauso wie Sie“, erwiderte kopierter Snape und warf einen Seitenblick auf ihre Bücherregale, die zum Bersten voll mit allem möglichem waren – von alten Textbüchern bis zu Muggeltaschenbüchern. „Er ist ein süchtiger Lerner. Ein ewiger Schüler. Er war ähnlich wie Sie, als er noch zur Schule ging. Außer, dass er im Hogwartsexpress von jedem gemieden wurde, bis auf Lucius Malfoy, der ihm anbot, sein Freund zu sein. Er hätte sich während der Auswahl sogar entscheiden können, nach Ravenclaw zu gehen, da er aber seiner Nase wegen von einigen älteren Ravenclaws ausgelacht worden war, hatte er den Kontakt mit den Mitgliedern dieses Hauses vermeiden wollen. Sie wissen ja, dass Kinder ganz schön grausam zu jenen, die anders sind, sein können.“

Hermine gab es einen Stich ins Herz als sie an einen ganz jungen Snape dachte, der nervös seine erste Reise zur Zaubererschule antrat und von denen, die eigentlich seine Freunde hätten sein sollen, gehänselt wurde. „Ich hätte auch nach Ravenclaw gehen können“, hörte sie sich gestehen, während er den schnurrenden, zufriedenen Krummbein auf seinem Schoß streichelte. Diese Hände waren eindeutig hypnotisierend und sie musste sich erst wieder einen Augenblick sammeln. „Aber der Hut schickte mich nach Gryffindor, wie man weiß.“

„Ihre hohe Intelligenz ist eines der Dinge, die er an Ihnen schätzt“, erklärte der Snape in ihrem Schlafzimmer mit einer leichten Andeutung von etwas, dass ein Lächeln sein konnte.

„Er… er schätzt mich?“, fragte Hermine mit pochendem Herz in der Brust. Ihre Hand legte sich auf ihr Brustbein und stieß dort auf blanke Haut. Errötend zog sie schnell ihren Morgenmantel zusammen und war froh, dass wenigstens die samtigen Falten über ihren Knien anständig an Ort und Stelle lagen. Es war ja nicht so, dass sie eine Menge Haut gezeigt hatte, nur dass ihre Brüste endlich voll genug waren, um das Material teilen und eindeutige Einblicke in ihren Ausschnitt geben zu können, wenn sie nicht aufpasste.

„Sogar sehr. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie verärgert er war, als er feststellte, dass die klügste Schülerin seiner gesamten Karriere nach Gryffindor einsortiert worden war, dem Haus, gegen das er den größten Groll seit seinen Schülertagen hegte. Was natürlich an den Quälereien lag, die ihm Potter, Black, Lupin und die ganze Gesellschaft angedeihen ließen. Doppelt ärgerlich war, dass er keinem Schüler außerhalb seines Hauses gewogen sein konnte, weil er die ganze Zeit seine Position als angeblich loyaler Todesser aufrechterhalten musste. Er wusste genau so gut wie der Schulleiter, dass der Dunkle Lord zurückkehren würde und hielt sorgfältig seine Deckung bei, so gut er es im Laufe der Jahre nur konnte.“

„Wie furchtbar muss das gewesen sein“, murmelte Hermine voller Sympathie. „All diese Jahre der Ungewissheit, all diese Jahre voller Hoffnung, dass Voldemort fern bleiben würde und der Furcht seiner wohl unausweichlichen Rückkehr.“

„Es ist schwierig gewesen. Eine Menge seiner Verbitterung kommt davon, dass er in einer Rolle feststeckte, die er aufrechterhalten musste und dabei gezwungen war, vor einem Verrückten zu knien, seinen Sichtwinkel der Sache zu verbergen, durch Inzucht geborene Idioten zu begünstigen und die falschen Vorstellungen seiner Kollegen auszuhalten – auf beiden Seiten, am Arbeitsplatz und im Orden. ‚Einmal ein Todesser, immer ein Todesser“, murmelte Kopie-Snape trocken und kratzte sanft hinter Krummbeins Ohr, während der Kater seine Pfoten und seine orange- und cremefarbene Brust steckte und ganz eindeutig noch eine Weile zu bleiben gedachte. „Glauben Sie, dass seine Arbeit für den Orden aufrichtig ist und von Herzen kommt, Miss Granger? Denken Sie, dass er sich die nützlichste Seite aussucht, um sich mit ihr zu verbünden, auch wenn die Ziele des Dunklen Lord kontraproduktiv der gesamten Zauberergesellschaft als Ganzes gegenüber stehen? Oder glauben Sie daran, dass er nur Zeit schindet und abwartet, welche Seite gewinnen wird und er daher in der Hoffnung auf beiden Seiten steht, dass er auf der Richtigen steht, wenn der Krieg schließlich endet?“

Sie kaute auf ihrer Lippe. Hermine wäre mit einer augenfälligen, mit Vertrauen gefüllten Antwort davon gekommen, aber diese Version von Snape war sehr ehrlich mit ihr gewesen. Ein übereiltes Urteil wäre einfach nicht in Ordnung, es wäre eine schlechte Vergeltung für die Informationen, die er preisgegeben hatte. Sie antwortete, nachdem sie seiner Frage lange genug überdacht hatte.

„Ich glaube, dass sein Überlaufen von Voldemorts Lager echt war. Professor Dumbledore hat immerhin absolutes Vertrauen in ihn. Das ist hier eine wirklich starke Empfehlung“, führte sie an.

„Ja, aber haben Sie Vertrauen in ihn?“, drängte das Duplikat ihr gegenüber leise. Ein unlesbarer doch angespannter Ausdruck lag auf diesem ansonsten neutralen oder auch gelangweilten Gesicht.

Die Schutzzauber erklangen, als sich der Türknauf drehte. Die Tür öffnete sich leise und enthüllte die finster blickende Gestalt ihres Konversationsgrundes. Hermine bezweifelte nicht, dass es sich um den Original Severus Snape handelte oder woher ihr das klar war – sie wusste es einfach. Er starrte eisig auf seine Replik, seine Augen wanderten über ihre sittsame und bekleidete Figur und betrat dann das Zimmer. Er schloss leise und präzise die Tür und zischte seine Kopie an: „Es ist dir verboten, hier zu sein. Wenn du ihr irgendwas angetan hast…“

„Er war eigentlich sehr freundlich“, unterbrach ihn Hermine mutig.

Severus blinzelte und wandte sich ihr zu. Mit einer verblüfft gewölbten Augenbraue starrte er sie an und schaute sie, nachdem er alle zerstreuten Gedanken wieder beisammen hatte, finster an. „Und was haben Sie gemacht? Einfach einen männlichen Besucher in Ihrem verdammten Morgenmantel zu empfangen? Zwanzig Punkte von…“

„… einem Volltrottel!“, hustete der andere Snape in seine Hand. Das Original schwieg sofort und sein Gesicht färbte sich rötlich.“

Hermine sah rasch von einem zum anderen und war erstaunt, dass der wahre Tränkemeister einfach so mitten in seiner Tirade unterbrochen werden konnte. Und das Erröten! Genauso verblüffend wie die Art seines Nachgebens. Einen Moment lang wenigstens. Er nahm sie wieder ins Visier. „Wie auch immer, Sie sind nicht angemessen bekleidet! Genauso wenig wie Ihnen gestattet ist, männliche Besucher zu haben…“

Ich habe den verdammten Kerl nicht eingeladen!“, sah sich Hermine gezwungen, zurückzufauchen und sprang voller Empörung über diese Anschuldigung auf die Füße. „Er kam aus eigenem, freiem Willen hierher! Und wenn er auch uneingeladen kann, hat er sich die ganze Zeit wie ein perfekter Gentleman verhalten!“ Sie stemmte die Hände in die Hüften, während sie dem glotzenden Tränkemeister – dem wahren – selbst den einen oder anderen wütenden Blick zuwarf. Das war alles, was ihr einfiel um ihre Stimme leise zu halten, für den Fall, dass ihr Ausbruch doch weit genug zu hören war um die Mädchen im nächst gelegenen Schlafsaal des Turms zu wecken. „Und was ich tun darf oder nicht: Ich bin volljährig und dazu die Schulsprecherin dieser Schule und das gibt mir, zum Geier noch mal, eine Menge Spielraum! Außerdem bin ich wirklich schlau genug, dazu eine zu gute Hexe, um entscheiden zu können, für wen es passend ist, in meinem Schlafzimmer zu sein, und für wen nicht!“

„Falls irgendjemand wegen ‚Unangemessenheit’ aus meinem Zimmer geworfen werde sollte“, fuhr Hermine mit einem Zischen fort und reckte ihr Kinn angrifflustig vor, „dann sind Sie das, weil Sie sich wie ein Arschloch verhalten!“

Severus gaffte sie in der dem Wortschwall folgenden Stille an.

Snape hingegen seufzte und hob Krummbein von seinem Schoß. Er setzte ihn auf den Boden, stand auf und zupfte penibel an den Katzenhaaren, die an seinen vormals schwarzen Kleidungsstücken hingen. Er sah zu seinem Erschaffer hoch und meinte dann ruhig: „Sie hat Recht, weißt du. Du bist ein Arschloch. Du schaffst es doch immer wieder, die Dinge zu versauen, sobald du deinen Mund aufmachst. Meistens durchaus spektakulär, muss ich zugeben. Also werde ich dieses kleine Intermezzo beenden und euch beide verlassen, damit ihr versuchen könnt, die Sache in einer etwas zivilisierteren Art und Weise zu besprechen.“

„Nicht dass ich viel Hoffnung für diesen ungehobelten Rohling hätte, aber es gibt ja für alles ein erstes Mal“, fügte er hinzu und warf einen Seitenblick zu Hermine. Seine Augen glitten etwas hinunter, verweilten einen Moment und rissen sich dann los. Es war schwierig für Hermine in diesem schummerigen Licht vom Feuer etwas genau zu sehen, doch sie war fast sicher, einen Anflug von Röte auf seinen Wangen erkannt zu haben.

Ich bilde mir höchstwahrscheinlich nur etwas ein… ein Snape der erröten kann? Hmpf… und meine Katze ist wirklich nur ein Halbkneasel. Sie sprach ihn an, als er die Tür erreicht hatte. „Danke, dass Sie vorbeigeschaut haben, ähm, Snape.“ Sie konnte ihn doch nicht mit ‚Professor Snape’ ansprechen, wenn das Original neben ihm stand, immer noch in ihre Richtung starrte und ganz ungewohnt perplex aussah. „Unser Gespräch war sehr aufschlussreich. Mir würde eine gelegentliche Fortsetzung gefallen.“

„Genauso wie mir.“

Das rüttelte den wahren Snape, unter welchem Zauber auch immer er gestanden hatte, auf. Er wechselte den Gesichtsausdruck zu seinem finsteren Blick, den er auf sein Duplikat richtete. „Das wirst du nicht tun! Du kommst sofort mit mir zurück zu den Kerkern!“

„Wir können nicht gemeinsam gehen“, meinte Kopie-Snape lässig und sandte Hermine ein Grinsen. „Wenn uns jemand zusammen in den Korridoren sieht, wird unser kleines Replikationsgeheimnis auffliegen. Einer von uns muss für mindestens zehn Minuten zurückbleiben, damit es ausgeschlossen ist, dass zwei Snapes zu kurz nacheinander gesehen werden. Ich bleibe hier, da ich…“

„Das wirst du nicht tun! Du gehst sofort zurück in die Kerker!“, befahl ihm der originale Snape scharf. „Ich werde für die paar verdammten Minuten hier bleiben!“

„Entschuldigen Sie mal! Das hier ist mein Schlafzimmer, sollte ich nicht zu bestimmen haben, wer bleibt und wer geht?“, warf Hermine ein. Sie wollte nicht, dass der mürrische Snape da blieb, sie wollte den Charmanten. Nun ja, ‚charmant’ war vielleicht ein wenig zuviel gesagt, aber ‚kommunikativ’ und ‚höflich’ passte nicht so gut auf die Eintrittskarte…

„Nein!“, fauchten beide Männer sie an. Sie schauten einander an und das Duplikat rümpfte die Nase in angewiderter Geschlagenheit.

„Na gut. Du bleibst für zehn Minuten hier, nicht mehr und nicht weniger. Wenn du bis dahin nicht zurück in unseren Räumen bist, komme ich wieder zurück um dich zu verhexen.“ Er schlüpfte aus der Tür und schloss sie rasch… und Hermine sah kurz ein Glitzern an der Oberfläche, das nicht allein vom Metall des Knaufes kam, als sie zufiel.

Severus griff nach dem Türknauf. „Ich werde hier nur für höchstens zwei Minu… was zum…!“ Er drehte am Knauf, oder eher, versuchte es. Er rüttelte, zerrte und riss daran. „Er hat ihn versperrt! Ouvrum! Alohomora!

Nichts geschah. Er versuchte einen weiteren Zauber, dann noch einen. Immer noch verschlossen.

„Verdammter Scheißkerl!“, zischte er, starrte auf die unerschütterliche Tür und versuchte zu erahnen, welchen Zauber der andere Snape benutzt haben könnte.

„Großartig. Einfach großartig! Ich sitze mit Ihnen in meinem Schlafzimmer fest“, meinte Hermine und stemmte ihre Hände wieder fest in die Hüften. Der Tränkemeister drehte sich zu ihr um, wollte sie im gleichen Atemzug scharf kritisieren… hielt aber inne und starrte sie nur an.

Genauer gesagt, auf ihre Brust. Gleichzeitig wurde Hermine klar, wovon seine Augen erst ein paar Minuten zuvor in völliger Zerstreuung gefesselt waren, ehe der Andere-Snape gegangen war. Genau dahin hatte auch dieser gestarrt… Diese dunklen Augen waren nun auf die inneren Kurven ihrer Brüste gerichtet, die jetzt vor Verlegenheit errötet waren – wobei das die Art Röte war, die auf ihrem Körper lag, wenn sie total überreizt war.

Und nun… und nun war Verlegenheit nicht das einzige Gefühl, dass durch ihren Körper zog. Sie erkannte eine andere, herausragende Emotion: Verlangen. Eine eindeutig weibliche Antwort auf seine offensichtliche Faszination ihrer sanften Rundungen, die ziemlich einsehbar durch den auseinander klaffenden Morgenmantel. Nicht dass sie völlig unanständig dastand, es war nicht mal eine Drohung von Entblößung der äußersten Bereiche ihrer Vorhöfe zu befürchten, doch die inneren Rundungen ihrer Hügel waren ziemlich sichtbar… und zurzeit ein wahrer Magnet für diese eisernen, dunklen Augen.

Sie hatte zwei Dinge zur Auswahl. Ihr Revers zu schließen oder es zu lassen, wie es war. Ihre Brustwarzen, die sich durch ihr Verlangen, sie am Stoff reiben zu können, verhärtet hatten, waren klar für eine dreiste Entblößung. Die gute Sitte bestand aber darauf, den Morgenmantel vorn zu schließen. Dabei hatte sie allerdings auch zwei Wahlmöglichkeiten: den Mantel defensiv einfach rasch zuzuziehen und damit offen zu legen, dass er starrte, oder ohne Aufhebens einfach den Stoff zusammenzuziehen. Da sie nicht wie eine empfindliche Jungfrau handeln wollte, sie war zwar Jungfrau, aber sie wollte nicht überempfindlich reagieren, so legte sie methodisch und ruhig das Vorderteil ihres Mantels übereinander und schloss den Gürtel ein wenig fester.

„Da Sie hier anscheinend die nächsten zehn Minuten bleiben, können Sie sich auch auf den Schreibtischstuhl setzen, um dort zu warten“, forderte sie ihn auf, ohne die sonst übliche Anrede zu benutzen. Normalerweise bildete sich Hermine etwas darauf ein, immer höflich und respektvoll zu sein… doch es war spät, sie war müde und sie hatte nicht erwartet, einen Severus Snape unterhalten zu müssen, geschweige denn zwei identische, wenn auch ungleiche Versionen von ihm. „Sie können entweder höflich oder still sein. Ich würde Ihnen nicht raten, unverschämt zu werden, hier, in meinen eigenen Räumen. Die Art, wie ich Sie zum Schweigen bringe, würde Ihnen bestimmt nicht gefallen.“

„Sie denken, dass Sie mich außer Gefecht setzen können, Sie albernes, kleines Mädchen?“, schnaubte Severus, während er die Tür verließ und sich bemühte, den Anschein wieder zu erhalten, Kontrolle über die Situation zu haben. „Ich möchte nicht in dieser Art angesprochen werden, vor allem nicht von jemandem wie Ih…“

Das war es. Der Schock über die beiden ungleichen Snapes, die Offenbarungen dieser Nacht, die Angst vor den Konsequenzen des verpfuschten Experiments, der fehlende Anstand des echten Snape und das glühende Verlangen, diesen Pedanten zum Schweigen zu bringen – all das wirbelte in ihrem Kopf herum. Irgendwas schnappte über, und als sie später über diesen Moment nachdachte, war das ihre einzige Verteidigung. Irgendetwas in ihr rastete entschieden aus.

Hermine riss den Knoten an ihrem Gürtel auf, öffnete beide Seiten ihres Morgenmantels und enthüllte die Tatsache, dass sie keinen Faden am Leib hatte – außer dem, was sie in Händen hielt. Woher der Einfall kam, ihn so zum Schweigen zu bringen, wusste sie nicht sicher, aber als sie das beerenfarbige Material wieder schloss – ruhig, bis auf ihre zitternden Hände und Knie – bemerkte sie mit vorsichtig verborgener Befriedigung, dass ihr geschickter Schachzug erfolgreich gewesen war. Severus Snape, Zaubertränkemeister von Hogwarts, war völlig verblüfft über den Blick auf ihre nackten Kurven vom Kopf bis zu den Zehen. Entgeistert. Baff.

Gesegnete Ruhe.

„Nachdem ich nun Ihre Aufmerksamkeit besitze, Sir, setzen Sie sich jetzt für die nächsten neun Minuten in den Stuhl und benehmen sich gefälligst. Dann werden Sie gehen. Wenn Sie etwas zu sagen haben, werden Sie zweimal darüber nachdenken, was Sie mir mitteilen möchten. Wenn es mir nicht gefallen würde, sagen Sie es lieber nicht. Wenn Sie allerdings darauf bestehen, etwas von sich zu geben, dass mir nicht gefällt, dann erinnern Sie sich daran, wer im letzten Jahr das höchste ‚Ohnegleichen’ in Flüche hatte. Wenn es jedoch höflich und im Ton angemessen ist, können Sie es gerne kundtun. Und wenn Sie auch nur ein Wort über ‚Unangemessenheit’ in meiner Gegenwart loswerden… werde ich Sie durch plastischen Details erinnern, wer gestern Abend eine Erektion in meinen Hintern drückte, während er neun oder zehnmal hickste und lustgetriebene Versionen von sich selbst in die Existenz schickte!“

Sein Gesicht, gerötet durch Schock und Verlegenheit, verlor alle Farbe und ließ ihn besonders fahl und ungesund aussehen. Hermine sah, wie er die Augen schloss, den Kopf senkte und offenbar mit einer sehr unangenehmen Emotion haderte. Als er sprach, klang seine Stimme gepresst und war kaum lauter als ein Flüstern. „Es… tut mir leid…“

Seine Entschuldigung stach ihr mitten ins Herz. Sie hatte den Stich nicht erwartet und bemühte sich, ihre eigenen Gefühle physisch und stimmlich unter Kontrolle zu bringen, ehe sie eine Antwort suchte. Enttäuschung war bitter zu schlucken, musste sie feststellen. Enttäuschung was sie betraf, weil sie gedacht hatte, dass er den Vorteil durch ihren Anblick nutzen und sich mit der ganzen Leidenschaft, die sie in ihm sah, auf sie stürzen würde, Enttäuschung darüber, dass er kein offenes Zeichen von Interesse an ihr gezeigt hatte, sei es sexuell oder anders… und Enttäuschung, dass er es bedauerte, einen ‚Steifen’ in ihrer Nähe gehabt zu haben. Sie hob ihr Kinn und redete ihn so gefasst, wie sie es nur vermochte, an.

„Ich glaube, Professor, dass jeder heterosexuelle Mann, der in ähnlicher Situation an eine erwachsene Frau gedrückt wäre, eine ähnliche, unwillkürliche Reaktion gehabt hätte. Mir ist klar, dass Sie das nicht wollten, genauso wie Sie das Erscheinen all dieser großspurigen Snapes und mit dem, gesellschaftlich gesehen, unakzeptierbaren Grund ihrer temporären Existenz belastet. Da Ihnen das sehr unangenehm zu sein scheint, sehe ich keinen Anlass, das Thema zwischen uns nochmals aufzubringen.“

Ihre Stimme zögerte einen Augenblick lang, dann fuhr sie mutig fort. Sie war ja schließlich eine Gryffindor und wollte dem Ruf ihres Hauses gerecht werden. Auch wenn er sie umbringen würde, nachdem sie das Folgende gesagt hatte.

„Ich gebe zu, dass es wirklich schmeichelhaft wäre, von jemandem mit Ihrem scharfen Intellekt besonders attraktiv gefunden zu werden, aber mir ist durchaus klar, was Sie immer noch von mir halten und ich werde das nicht persönlich nehmen. Ich bin ja kein dummes, gedankenloses Schulmädchen, das zwei und zwei nicht zusammenzählen kann und dabei die korrekte Summe von vier erhält. Sie sind ein Mann, ich bin eine Frau und diese Dinge passieren mitunter, ob man das will oder nicht. Nun, seien Sie weiter still für den Rest Ihrer erzwungenen Gefangenschaft mit mir – und ich mache es Ihnen leichter, indem ich mich auf die Toilette begebe.“

Nach dieser kleinen, vorgetragenen Rede ging Hermine mit soviel Würde, wie sie nur aufbringen konnte, zur anderen Tür, trat hindurch und schloss sie leise hinter sich. Und sank, die Tränen wegblinzelnd und an die Tür gelehnt, in sich zusammen. Auf keinen Fall würde er sie weinen sehen!

Auf der anderen Seite starrte Severus, berührt von ihren ruhigen, gefassten Worten, auf die Tür. Er war immer noch geschockt, dass sie sich ihm gegenüber so lässig entblößt hatte – er hätte niemals gedacht, dass das in ihr steckte – und sie hatte es auf eine Art gemacht, die zeigte, dass sie sich in ihrem Körper wohl fühlte. Auch wenn sie im nächsten Atemzug zugegeben hatte, dass sie wüsste, oder eher glaubte, dass er freiwillig niemals Interesse an ihr hätte.

Natürlich hatte es seine Tirade beendet, doch dadurch war soviel Blut aus seinem Kopf direkt in seine Leisten geschossen, dass er unfähig zu denken, geschweige denn zu sprechen war. Er konnte im Geiste nur noch ihre wohlgeformten Kurven sehen, diese schlanken Waden, sinnlichen Schenkel, den Lichtreflex ihrer Hüften und die schmale Taille mit gerade mal einem Hauch von fraulicher Weichheit um ihren Nabel… diese vollen, reifen Brüste… Großer Merlin, wann waren ihr solch alabasterfarbenen, runden Hügel gewachsen?

Perfekt… absolut perfekt… plapperte es in einer Ecke seines Kopfes, immer noch geschockt von dem Anblick. Und sie denkt, du verabscheust sie!

‚Warum hat mich der Schokoladenfroschtrank nicht einfach umgebracht und diese elende Existenz endlich erledigt?’

oooOOOoooOOOooo

„Miss Granger, auf ein Wort.“

Hermine erstarrte beim Klang dieser allzu bekannten Stimme. Ihre Wangen erröteten und wurden dann bleich, während sie sich von der Treppe, die gerade die Richtung wechselte, abwandte und beklommen das Herannahen der dunkel gekleideten Gestalt erwartete. Anscheinend konnte er nicht einmal das Frühstück abwarten um sie zu schelten und zu bestrafen – und auch nicht, dass sie zu ihm kam, denn eine eindringliche Prüfung dieser dunklen Augen stellten sicher, dass sie ihm folgte. Er drehte sich um und schritt mit aufbauschenden Roben zum einst verbotenen Korridor im dritten Stock. Sie schob ihre Büchertasche höher auf ihre Schulter, ließ ihre beiden besten Freunde stehen und folgte ihm wie ein Häufchen Elend.

Er schwieg, bis er die Tür eines ungenutzten Klassenzimmers geöffnet hatte. Die Möbel waren mit weißen Leinentüchern bedeckt und die Portraits waren schon lange entfernt worden, hatten aber dennoch hellere Abdrücke an den Wänden zwischen den Regalen hinterlassen. Er schloss die Tür hinter ihr, verschränkte die Arme und betrachtete sie.

„Ich nehme an, dass es ziemlich unangenehm war, nachdem ich Sie beide gestern Nacht alleine gelassen habe, oder?“

Der Atem stockte ihr. Mit großen Augen schaute sie ihn an. „Sie sind der…?“

„Das Duplikat, ja. Ihrem Verhalten nach und dass Sie den Blick meiner Augen lieber vermeiden würden, schätze ich, dass er sich auf irgendeine Art und Weise wie ein Arsch verhalten hat?“

„Ich…“, flüsterte Hermine und erinnerte sich daran, was sie getan hatte. Sie hatte ihrem Tränkemeister kurzzeitig ihre nackten Brüste und mehr gezeigt… und in ein paar Stunden würde sie ihm wieder gegenüber treten müssen. Sie verbarg ihr brennendes Gesicht in den Händen und antwortete gedämpft: „Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht… und er war genauso fies wie immer. Es war grässlich!“

„Was haben Sie getan?“

Sie hätte nicht geantwortet, wenn diese Frage nicht so leise und von dem ansonsten so mürrischen Tränkemeister nicht mit einer beträchtlichen Menge an Freundlichkeit gestellt worden wäre. Aber es war genau der richtige Tonfall, um auch das beschämendste Geständnis aus ihr herauszulocken.

„Ich… ich habe mich ihm nackt gezeigt“, flüsterte sie, ließ die Hände sinken und starrte nach unten. „Er war gemein und garstig und ich… habe kurz meinen Mantel geöffnet, nur um ihn zum Schweigen zu bringen. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe! Ich habe so etwas noch niemals zuvor getan… ich bin nicht diese Art von Mädchen, ehrlich! Und… und ich wünschte, ich könnte einfach in den Boden versinken und dann wäre alles vorbei!“

„So weit ich weiß, hat Verlegenheit allein noch niemals zum Tode geführt.“

„Sind Sie absolut sicher?“, fragte Hermine mit dunkler Stimme und schaute ihn verdrießlich an. Sie erntete damit eine leichte Reaktion vom Mund des Doppel-Snapes, ein tatsächliches, belustigtes Lächeln. Sie beäugte ihn allerdings skeptisch, irritiert vom Anblick eines lächelnden Tränkemeisters.

Das verschwand nach einem kurzen Moment wieder und wurde durch eine besonnene Miene ersetzt. „Was hat er getan, als Sie…?“

Ihr Gesicht brannte wieder auf. „Müssen wir wirklich darüber reden?“

„Sehen Sie es als Rückzahlung für all die Ehrlichkeit an, die ich Ihnen erwiesen habe. Wie hat er reagiert?“

Sie schaute wieder nach unten. „Er… nun ja, er hörte auf zu sprechen, starrte und als ich meinen Mantel wieder geschlossen und zugebunden hatte, errötete er. Und dann… und dann wurde er wirklich bleich, als würde ihm schlecht werden… und dann, na ja, dann sah er zu Boden und sah aus… ich bin nicht sicher, ehrlich“, gestand sie. „Dann entschuldigte er sich dafür, dass er… Sie wissen schon… unfreiwillig erregt war.“

„Und wie haben Sie sich dabei gefühlt?“

Hermine wandte sich ab und schlang die Arme um ihren Körper. Sie konnte ihn jetzt nicht einmal mehr ansehen. „Ich möchte nicht darüber reden…“

Sie erschrak, als sich Hände auf ihre Schultern legten. Von allen Dingen, die sie von Snape – jedem Snape – erwartet hätte, war angefasst werden nicht weit oben auf ihrer Liste. Und auch noch so eine sanfte Berührung. Die Handflächen strichen über ihre Oberarme und ein warmer Körper drückte am Rücken ihre Roben gegen sie. Seine Arme schlangen sich leicht um ihre und verwirrten sie kolossal. Es war so eine zärtliche Haltung und sie war genauso durcheinander, wie es der originale Snape gewesen sein musste, als er von der immer-nach-den-Regeln agierenden, büchervernarrten, gescheiten-und- demzufolge-als-geschlechtslos-geltenden Schulsprecherin in der letzten Nacht nackt überrascht wurde.

Severus Snape – egal welcher – war kein zärtlicher Mann. Oder? Hermine war verwirrt. Aber, wenn dieses Duplikat all seine Erinnerungen, Überzeugungen, sein Wissen und Bedürfnisse hatte… bedeutete das nicht auch, dass der Echte ebenfalls zu solcher Zärtlichkeit fähig sein musste?

„Was haben Sie zu ihm gesagt, als er bleich wurde und sich entschuldigte?“, wiederholte Duplikat-Snape behutsam.

„Ich… ich bewahrte natürlich meine Würde“, stammelte Hermine, nervös durch die sanfte, unbedrohliche Art, wie sie gehalten wurde. „Und seine auch. Ich sagte, dass das einfach eine dieser Dinge war, verstehen Sie? Nur eine unwillkürliche Reaktion. Kein Fehler, kein Verschulden.“

„Und dann?“, forderte sie Duplikat-Snape leise auf, hielt sie aber weiter.

„Ich… zog mich in das Badezimmer zurück, bis er gegangen war.“

„Haben Sie geweint?“

Verlegen, doch ärgerlich über die Frage versuchte Hermine, seine Arme abzuschütteln, doch der Halt verstärkte sich und hielten sie fest. Sie wehrte sich erneut. „Lassen Sie mich los!“

„Sch… ich fürchte, ich kann das gerade nicht tun“, murmelte diese leise, seidige Stimme in ihr Ohr.

„Warum nicht?“, verlangte Hermine zu wissen, und drehte sich genug, damit sie ihn über ihrer Schulter anschauen konnte.

Er blickte sie ruhig und ernsthaft an. „Weil ich das Problem, das mein Erschaffer letzte Nacht verursacht hat, noch nicht gelöst habe.“

„Wer sind Sie, eine Art von Hausmeister-Duplikat, mit dem Existenzgrund, hinter dem Original Professor Snape her zu räumen?“, spottete sie und wand sich wieder, wenn auch nicht so fest wie zuvor.

Seine Lippen bogen sich humorvoll nach oben. Seine Wange berührte ihre, warm und sauber rasiert. Nur ein Haus von Bartschatten kratzte über ihre Schläfe. „Das trifft es nicht genau.“

Hermine runzelte die Stirn, irgendwie entwaffnet durch diese liebkosende Aktion. „Und was soll das jetzt heißen?“

„Sie finden das bald heraus. Ich vertraue Ihnen. Als Sie letzte Nacht ins Badezimmer gingen, haben Sie geweint?“, erkundigte er sich erneut.

Verwirrt und peinlich berührt nickte Hermine zögernd. Dadurch rieb ihre Wange an seiner. Beunruhigenderweise rieb er seine Wange wieder an ihrer, als sie aufhörte und gab damit ein liebkosendes Nicken von sich.

„Ich bedauere, dass mein Erschaffer Sie verstört und verletzt hat, Hermine“, murmelte er entschuldigend und machte sie damit noch konfuser. „Aber ich glaube, dass Sie seine Reaktion gestern missverstanden haben.“

„Das glaube ich nicht! Er… er…“ Sie konnte den Satz nicht beenden, denn es war zu peinlich zuzugeben, auch einer Replik gegenüber.

„Sie dachten, er hätte Sie zurückgewiesen. Haben Sie die Möglichkeit bedacht, dass Sie seine Reaktion falsch verstanden haben?“

„Das habe ich nicht! Natürlich hat er mich zurückgewiesen!“, protestierte sie. „Er kann mich nicht ausstehen! Der reine Gedanke daran, so eine unfreiwillige Reaktion gehabt zu haben, war sicher abstoßend für ihn – nicht, dass es mir etwas ausmachen würde“, fügte sie eilig und verteidigend hinzu. Schützend. „Tatsache ist, dass es mich genauso sehr wie ihn interessiert.“

Die Arme, die sie an der schwarz gekleideten Brust gefangen hielten, verstärkten ihren Halt. „Dann haben Sie aber ein erhebliches Interesse.“

Hermine wurde vor Schock ganz starr. Ihr Mund öffnete sich, aber kein Geräusch kam heraus. Wenn die Kopie von Severus Snape sie nicht so fest gehalten hätte, hätten ihre Knie wohl nachgegeben und sie hätte nicht mehr stehen können. Besonders, als er das wiederholte.

„Er hat ein großes Interesse an Ihnen, Hermine Granger. Ein großer Teil seiner Wut kommt daher, zwischen zwei Meistern gefangen zu sein. Einer nichtswürdig und grausam, der andere ehrenwert doch fordernd. Ein großer Teil seiner Bitterkeit kommt vom Mangel an ehrlicher Freundschaft und gezeigter Zuneigung von anderen, weil sie die Rolle, die er spielen muss und dem, der er wirklich sein möchte, beunruhigt. Und eine Menge seiner Bedrücktheit kommt von ihm selbst, da er meint, es nicht zu verdienen, von anderen gemocht, geliebt und geschätzt zu werden… besonders von jemandem, der so intelligent, mitfühlend, faszinierend und wunderschön wie Sie ist.

„Aber nichts davon kann die anderen Emotionen, die er hat, verbergen oder unterdrücken. Die Tatsache, dass Sie seine Schülerin sind, macht ungeheuer viel aus, weil er seine Verpflichtungen ernst nimmt. Dass Sie die meisten seiner Klassen unterrichten könnten, macht Ihre Position als einfache Schülerin eigentlich überflüssig, doch Sie sind eine und das ist problematisch und schmerzhaft zugleich. Durch seine langjährige Gewohnheit, einen Mantel der Bitterkeit und einen Schild aus kalter Wut zu benutzen um sich selbst von diesen schmerzhaften, verbotenen und anderweitig bezeichneten Dingen außerhalb seiner Reichweite zu schützen, würde er Sie wegschieben und damit auch genauso sein Interesse für Sie, ebenso wie alles andere.

„Ich vermute, dass sein schlechtes Gewissen vor allem daher kam, dass er fürchtete, Sie zu kränken, denn Sie sind in seinen Augen unschuldig und rein, alles Dinge, die er in Ihrem Alter dummerweise eingetauscht hat. Sie sind in seinen Augen ein wahrer Liebreiz, während er nichts weiter als ein mit Makeln behafteter Mensch ist“, murmelte er leise und ruhig, doch konnte man die tiefen Emotionen spüren, die diese Worte begleiteten. „Und das weiß ich, weil ich es genauso empfinde.“

Unfähig, das noch länger zu ertragen, drehte sich Hermine in seiner Umarmung herum und schlang die Arme fest um seinen Oberkörper. Sie verbarg ihre Tränen in der schwarzen Wolle seines Gehrockkragens und den weichen Baumwollfalten seiner Lehrerrobe. Nun war der Doppel-Snape an der Reihe, überrascht starr zu stehen, ehe er seine Arme erneut um sie legte und sein Gesicht auf ihre Lockenpracht legte. Er blieb einige Augenblicke so, hielt sie einfach fest und ließ sie seinen, durch die ganzen schwarzen Wollschichten gedämpften, Herzschlag hören. Dann umfasste er ihre Wange und hob ihr Gesicht von seiner Schulter, um seines zu treffen. Spezifischer – um ihren Mund mit seinen Lippen zu berühren.

Der Kuss, den er ihr gab, war weich und sanft, erstaunlich zärtlich für solch einen anscheinend barschen Mann. Er löste einen emotionalen Schmerz in ihrem Herzen aus und Hermine wagte es, eine Hand an seinen Hinterkopf zu legen und den Kuss zu verstärken. Er gab ihrem Eifer mit Inbrunst nach, verwickelte seine Finger in ihrem Haar, legte seine Lippen schräg auf ihre und lockte mit der Zunge, sie zu öffnen. Dann schmeckte er ihre Zunge, als sie sie zögernd zum spielen ausstreckte.

Dieser Kuss war nicht so unangenehm wie er es bei Viktor, ihrem ersten Freund, gewesen war, auch wenn der Schüler aus Durmstrang wenigstens ein wenig Erfahrung im Küssen mit seinen Fanmädels gehabt hatte. Oder später, als sie Ron küsste, der sehr wenig Ahnung hatte, wie man in dieser Hinsicht vorging. Sie waren schließlich übereingekommen, dass sie besser gute Freunde bleiben sollten, auch wenn Ron immer noch versuchte, ihre Meinung darüber zu ändern. Nein, diesen Mann zu küssen – welche Version er auch immer sein mochte – war genauso natürlich und normal wie zu atmen. Und genauso weich und lecker wie ein Sahnepudding.

Ihr Magen knurrte wieder. Er beendete den Kuss und zog sich mit dem Anflug eines Lächelns in den Augen zurück. Eine schwache Berührung seines Mundes an ihrem, ein vorübergehendes Senken der dunklen Wimpern – dann schob er sie zurück und legte die Hände sanft auf ihre Schultern. „Versuche dich zu erinnern, dass er ein Mann ist, der daran glaubt, außer Reichweite von allem gefangen zu sein, was er haben möchte, auch wenn er sich die Gitterstäbe seines Käfigs selbst gebaut hat. Nun, geh jetzt zum Frühstück, ehe dich jemand vermisst und benimm dich wie immer. Ich treffe mich wieder mit dir, aber lass es das Original nicht wissen. Er würde das niemals gutheißen, egal wie sehr du die Informationen brauchst, die ich dir vermitteln kann… und du wirst sie brauchen, um richtig mit ihm umgehen zu können.“

Mit dieser rätselhaften Bemerkung drängte Duplikat-Snape Hermine aus dem verlassenen Klassenzimmer.

tbc

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